Lucas Winkler hat in seiner Bachelorarbeit den Stand der Digitalisierung im GaLaBau untersucht. In seinem Beitrag leitet er daraus Empfehlungen für die betriebliche Praxis ab.
Die Digitalisierung beherrscht zurzeit die Diskussionen darüber, wie wir in Zukunft leben, kommunizieren, arbeiten und wirtschaften werden. Mit dem Einzug des Internets der Dinge und Dienste ist der Startpunkt der vierten Industriellen Revolution bereits markiert. Doch was bedeutet das für den Garten- und Landschaftsbau? Und: Wie kann letztlich die digitale Transformation gelingen?
Die wenigsten Unternehmen dürften bereits eine fertig ausgearbeitete Digitalisierungsstrategie auf dem Schreibtisch liegen haben. Verständlicherweise, denn welches Unternehmen hat neben der Abwicklung des Tagesgeschäftes noch Ressourcen übrig, eine solche auszuarbeiten?
Aufbauend auf den Ergebnissen einer Bachelorthesis eines Landschaftsgärtners wurden Grundlagen geschaffen, an denen sich Unternehmen auf dem Weg zur Digitalisierung orientieren können.
Die Stimmungslage ist gespalten
Wie die Stimmungslage zur Digitalisierung in den einzelnen Betrieben des Garten- und Landschaftsbau aussieht, weiß niemand genau. Mit Sicherheit gibt es aber die Typen, die eher Risiken und die, die eher Chancen in der Digitalisierung sehen. Und es wird diejenigen geben, die das Thema lieber gleich der nachfolgenden Generation überlassen wollen. So wird es innerhalb unserer Branche sowohl Unternehmen geben, die sich als „Digital Leader“ bezeichnen können, als auch diejenigen, die dabei sind den digitalen Anschluss zu verlieren.
Fakt ist, dass eine flächendeckende Digitalisierung erst dann stattfindet, wenn auch die Klein- und Kleinstbetriebe (ca. 85 bis 90 % der Unternehmen beschäftigen zwischen 1 und 10 Mitarbeitern) auf den Digitalisierungszug aufspringen. Hier gilt es, mögliche Vorbehalte abzubauen, über die Chancen der Digitalisierung aufzuklären und Umsetzungswege aufzuzeigen.
Der Digitalisierungsprozess läuft schon seit Jahrzehnten
Dabei ist Digitalisierung im Grunde nichts Neues. Sie ist ein Prozess, der schon seit über 45 Jahren andauert und im Allgemeinen als die dritte industrielle Revolution bezeichnet wird. Der Einzug von Informationstechnologien (IT) Anfang der 1970er Jahre war der digitale Startschuss.
Neu ist hingegen, dass wir uns aktuell an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution befinden. Mit dem Aufkommen des Internets der Dinge und Dienste ist es nun möglich, Ressourcen, Informationen, Objekte und Menschen miteinander zu Vernetzen. Ganze Wertschöpfungsketten können sich so selbst organisieren und Optimierungen in Echtzeit stattfinden. Produkte werden über ihren vollständigen Lebenszyklus betrachtet und schon im Design wird festgelegt, in welcher Form die Materialien recycelt werden (vgl. BMWI, 2018).
Soweit die Definitionen für den Begriff „Industrie 4.0“. Doch was bedeutet das für den Garten- und Landschaftsbau? Eine Branche, die sich zwischen Dienstleistungsgewerbe, Handwerk und Baugewerbe bewegt und dabei weder in wetterunabhängigen Produktionshallen, noch am Fließband stattfindet. Wie sieht GaLaBau 4.0 aus? Welche digitalen Lösungsansätze kommen für die einzelnen Betriebe in Frage? Wie kann eine digitale Transformation angegangen werden?
Lösungsansätze und Empfehlungen
Abgeleitet aus den Definitionen für die Industrie 4.0, steht der Begriff GaLaBau 4.0 für die digitale Vernetzung von Unternehmensprozessen im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau. Dazu gehören sowohl die Vernetzung von betrieblichen Ressourcen (Personal, Fuhrpark, Geräte, Materialien, Informationen und Wissen) untereinander, als auch die Vernetzung von gesamten Bauprozessen durch ein digitales Geländemodell im Sinne von Building Information Modelling (BIM).
In der Praxis wird GaLaBau 4.0 meist ganz allgemein mit der Realisierung von digitalen Unternehmensprozessen gleichgesetzt.
Damit deren Umsetzung – also die digitale Transformation – gelingen kann, muss den Entscheidungsträgern in den Betrieben zumindest klar sein,
- welche digitalen Potenziale in ihren Unternehmensprozessen stecken,
- welche existierenden digitalen Lösungsansätze relevant bzw. irrelevant sind,
- welche betriebsindividuellen Anforderungen gestellt werden,
- wie die Lösungsansätze in der Praxis gehandhabt werden,
- in welchem Zusammenhang die einzelnen Lösungsansätze stehen und
- welche Voraussetzungen vor einer Umsetzung erfüllt sein müssen.
Für eine Digitalisierungsstrategie muss darüber hinaus definiert sein,
- welches Budget zur Verfügung steht,
- mit welchen Anbietern die Lösungsansätze umgesetzt werden,
- in welcher Reihenfolge die Umsetzung stattfindet,
- wer für die Implementierung verantwortlich ist,
- wie die zukünftigen Nutzer mit einbezogen werden und
- bis wann welche Ziele erreicht werden sollen.
Wie der jährlich erscheinender Digitalisierungsindex vermuten lässt, werden die wenigsten GaLaBau-Betriebe eine fertiggestellte Digitalisierungsstrategie besitzen (das Baugewerbe belegt im digitalen Branchenvergleich den vorletzten Platz.
Nachvollziehbar, da vor allem in den Klein- und Kleinstbetrieben, neben der Abwicklung des Tagesgeschäftes, kaum Ressourcen übrigbleiben dürften, um sich intensiv mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen.
Bedarf und vorhandene Ressourcen ermitteln
Bevor Betriebe mit der Ausarbeitung einer Digitalisierungsstrategie beginnen, sollte eine Selbstanalyse der bestehenden Unternehmensprozesse stattfinden. Denn erst, wenn deren Ziele, Zusammenhänge und Verantwortlichkeiten bekannt sind, können Anforderungen formuliert werden, die auf die betriebsindividuellen Bedürfnisse abgestimmt sind.
Ausreichend Zeit sollte auch bei der Wahl der Anbieter investiert werden. Viele der aufgeführten digitalen Lösungsansätze können mit Modulen von Branchensoftwareanbietern umgesetzt werden. Dennoch lohnt es sich, auch über die Möglichkeit nachzudenken, „Drittanbieter“ zu nutzen. Das wird vor allem bei einer geplanten Kombination der Lösungsansätze „Mobiler Datenzugriff“ – „Mobile Datenerfassung“ – „Ressourcenplanung“ deutlich. Nicht alle Branchensoftwarehersteller bieten diese Bandbreite in ihrem Modulkatalog an. Im Gegensatz dazu bieten die meisten baugewerbenahen Drittanbieter diese drei Lösungsansätze in Kombination an.
Hinzu kommt, dass Drittanbieter eine eher höhere Produktreife vorweisen können, da sie sich auf diese Lösungsansätze spezialisiert haben. Andererseits bedeutet die Entscheidung für einen Drittanbieter immer eine neue Benutzerumgebung und zusätzliche Ansprechpartner. Hier gilt es, die Vor- und Nachteile miteinander abzuwägen.
Neben einer freiwilligen Beschäftigung mit der Digitalisierung gibt es auch rechtliche Zwänge sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Die wohl bekanntesten Beispiele sind die GoBD (2015) und die neue DSGVO (2018). Neu hinzu kommen ab 2020 Pflichten zur elektronischen Rechnungsstellung bei öffentlichen Auftraggebern sowie Neuerungen bei der elektronischen Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Unterschwellenbereich.
Umdenken erforderlich
Neben den vielen Chancen, die die Digitalisierung den Betrieben bietet, fordert sie auch die Denkweisen der Unternehmen neu heraus. Denn für eine Digitalisierung müssen in erster Linie Investitionen getätigt werden, die nicht auf den Baustellen in Form eines neuen Radladers sichtbar sind. Vielmehr sorgen digitale Investitionen dafür, dass gezielte Informationen Nutzern dann zur Verfügung stehen, wenn sie benötigt werden. Und das unabhängig von Ort und Zeit.
Findet dieses Umdenken in der Investitionspolitik statt, dürfen sich die einzelnen Betriebe unter anderem auf folgende Mehrwerte freuen:
- Mehr Transparenz für Büro und Baustelle
- Sichtbarkeit der tatsächlichen Leistungsstärken und -schwächen
- Mehr betriebswirtschaftliches Denken auf der Baustelle
- Besserer Überblick über die laufenden Projekte und freie Kapazitäten
- Erleichtertes Baustellencontrolling
- Weniger „Zettelwirtschaft“
- Mehr Finden als Suchen
- Kürzere interne Bearbeitungszeiten
- Weniger Medienbrüche zwischen Zeiterfassung, Nachkalkulation, Lohbuchhaltung und digitaler Bauakte
- Weniger Rückfragen aufgrund fehlender Informationen
- Verbesserte Kundenorientierung und Mitarbeitergewinnung
- . . .
Bei allen Überlegungen zur Digitalisierung muss der Faktor Mensch im Mittelpunkt stehen. Denn nur, wenn Mitarbeiter in einer Neuerung auch einen persönlichen Nutzen erkennen, sind sie von dem digitalen Lösungsansatz überzeugt und unterstützen die Umsetzung aktiv. Das Sicherstellen einer praxisorientierten Handhabung eines Lösungsansatzes ist dabei das Mindeste. Neben den Mehrwerten in den einzelnen Betrieben hat eine flächendeckende Digitalisierung auch positive Effekte auf den gesamten Garten- und Landschaftsbau.
Mit steigendem Wissen über das tatsächliche Einzelleistungsvermögen würden kalkulatorische Zeitansätze nicht mehr nur auf Schätzwerten, sondern auf tatsächlichem Zeitaufwand basieren. Unternehmen wüssten also, bei welchen Leistungen sie Geld verdienen oder wo sie Geld „verbrennen“. Bei einer flächendeckenden Umsetzung könnten sich dadurch auch die existierenden Marktpreise langfristig an die Realität anpassen.
Schlussendlich bedeutet Digitalisierung für Unternehmerinnen und Unternehmer, aktiv zu werden, eingefahrene Unternehmensprozesse zu hinterfragen und Innovationen dort einzufordern, wo es noch keine Lösungen seitens der Hersteller oder Anbieter gibt. Ein Abwarten, bis die Digitalisierung durch rechtliche Vorgaben den Betrieben diktiert wird, ist mit Sicherheit der falsche Weg. Gerade der Garten- und Landschaftsbau hat bei der Digitalisierung die Chance, sich als grün, digital und nachhaltig zu präsentieren und so junge Menschen für diesen Beruf zu begeistern!